2017 06 15 fbbanner V02

 

von Andreas Kramer

Das war, gelinde gesagt, ein wahnsinniges Abenteuer. Jeder nicht in eine große Organisation eingebundene Entwicklungshelfer hielt sich direkt nach dem ersten Erdbeben am 25. April 2015 zurück, um den erfahrenen Organisationen den Weg freizuhalten und in – so erwarteten wir es – wohlorganisierte Distributionsketten nicht einzugreifen. Dies ist nötig, da die Informationslage in Nepal immer dünn ist, und keine zuverlässigen Informationen etwa über nicht oder bereits versorgte Ortschaften vorliegen – davon durfte ich mich auch knapp 2 Wochen nach dem ersten Beben persönlich vor Ort in der „Einsatzzentrale“ in Gorkha überzeugen. Gemeinsam mit Jelu Mulmi recherchierten wir die Informationslage dort und waren schockiert von der vorherrschenden Planlosigkeit, Unprofessionalität und Korruption.

Zu meinem Einsatz in der Katastrophenregion wurde ich von zwei Seiten gedrängt: Zum einen von einer Gruppe Lehrer um Parbati Gorkha, mit der ich etwa zwei Wochen vor dem Erdbeben zusammenarbeitete und die mich fast täglich (wann immer Kommunikation möglich war) über den Stand der Hilfsmaßnahmen informierte. Die Information blieb allerdings immer dieselbe: Keine Hilfe eingetroffen. Zum anderen wurde ich von vielen Menschen, die über mein Engagement in Nepal von vor den Erdbeben Bescheid wussten, nach den Beben finanziell unterstützt – die Botschaft: „Du bist dort, du machst das schon für uns!“

Und so kam es, dass ich mich 9 Tage nach dem verheerenden Beben der Stärke 7,8 auf der Momenten-Magnituden-Skala)mitten im Katastrophengebiet wiederfand und alles, wirklich alles, daran setzte, dringend benötigte Nahrungsmittel zuverlässig und sicher in nicht versorgte Dörfer zu bringen.

In Gorkha konnten wir gemeinsam mit Jelu Mulmi, Parbati Gorkha und der Gandharba Society Nepal mehrere Dörfer im Distrikt Gorkha (Epizentrum 1) erfolgreich mit Nahrungsmitteln versorgen. Dazu waren Informationsketten bis in die Ortschaften (und ihre Umgebung) nötig. Listen der anässigen Familien wurden angefertigt, Lebensmittel gekauft und Lastwagen angemietet, um schlussendlich reibungslos Hilfe zu bringen. Nach dem zweiten Beben konnten wir eine Ortschaft in Sindhupalchok (Epizentrum 2) versorgen und auch in Pharping südlich von Kathmandu halfen wir gemeinsam mit Durga Shrestha und ortsansässigen Mönchen „Unberührbaren“ mit Nahrung und Zelten. Außerdem unterstützten wir ein Wiederaufbauprojekt von Secret Garden Disaster Relief in der schwer getroffenen Gegend um Nuwakot nordwestlich von Kathmandu mit Werkzeugen.

In Kathmandu fanden sich in der Zwischenzeit viele private Initiativen zusammen, alle mit der Intention, unbürokratisch und schnell Hilfe zu bringen. Oftmals allerdings übersteigt die Motivation die Kompetenz der jungen westlichen Helfer, und so hastete ich von Meeting zu Meeting, um Informationen zu sammeln und verschiedene Gruppierungen zu beraten und zu vernetzen, wobei ich den Fokus auf die Symbiose von ausländischen und inländischen Helfern legte.

Der Einsatz in der Katastrophenhilfe war prägend, man sieht unfassbares Leid und hat doch keine Zeit, dies an sich herankommen zu lassen. Bis zu meiner Ausreise Ende Mai gab es praktisch keinen einzigen Tag, an dem nicht die Erde spürbar bebte.